Ist es provokativ und, oder naiv zugleich, zu behaupten, dass die Jahre dieser speziellen Zeit, die ich nicht mehr mit Namen nennen möchte, die besten Jahre für uns Menschen waren? Für uns, die wir lange Zeit nach dem zweiten großen Staatenzerwürfnis zur Welt gekommen waren, und eine phänomenale Zeit in den 70ern, 80ern und 90ern erleben durften? War und ist das aktuell laufende, weltumspannende Aufwachprogramm nicht immer noch das Beste, was uns hat passieren können? Wie sonst hätten wir von all den bis dorthin meist im Hintergrund agierenden Wort- und Bildmalern so viel Neues erfahren. Ein großer Dank an all diese Herzmenschen. Mit ihren starken, tiefgründigen und aussagekräftigen Farben präsentierten und präsentieren sie uns immer noch die Welt, wie wir sie vorher niemals wahrgenommen hatten; nicht wahrnehmen konnten, durften, sollten? Die einstigen großen Welterklärer, denen man nicht immer aber doch mehr als den anderen vertraute, glaubte und deren Wort wichtig war für Entscheidungen und Meinungen, verloren immer mehr an Beachtung. Sie selbst haben ihren Wandel herbeigeführt, ihren Abstieg in die Trivialität selbst verursacht.
Diskussionen wieder salonfähig
Zugegeben: Viel Schmerz und Leid wurde verursacht. Familien, Paare, gar beste Freunde wurden teils für immer entzweit. Die Wirtschaft wurde in großen Teilen zugrunde gerichtet, das Leben verkompliziert, und vor allem alte Menschen und Kinder drangsaliert und psychisch bis auf die letzte Synapse malträtiert. Eine Entschuldigung dafür gibt es nicht. Würde auch niemals jemand akzeptieren. Möge der oberste Richter darüber entscheiden, was mit denen passiert, die sich wie Marionetten in das Spiel einbinden haben lassen. Ich bin kein Richter und möchte auch keiner sein. Ich bin nur ein Beobachter und bewerte die Dinge, die ich sehe, so wie ich denke, dass man sie bewerten könnte. Ob die Botschaften der neuen Medien nun wahrer oder unwahrer sind, kann ich nicht sagen. Ich persönlich fühle mich allerdings viel besser als vorher. Das große Erwachen („the great awakening“) schuf eine Diskussionsgrundlage, die Frage nach der Grundsätzlichkeit und der Nezessitäten des Lebens vollkommen neu zu bewerten.
Wer hat die absolute Wahrheit?
Wenn ich an meine aktive Zeit als bezahlter Lohnschreiber zurück denke, sehe ich heute viel Dinge viel klarer. Die Abhängigkeiten derer, die zu meiner Zeit täglich Nachrichten unter das Volk bringen mussten, waren damals schon enorm. „Stell dich immer gut mit den Politikern“, wurde mir damals geraten. Sicher verstand ich, warum. Weil ich sonst nicht mehr an Informationen gekommen wäre, keine Interviews mehr hätte führen können. Und dennoch fühlte ich damals schon diesen Zwiespalt in mir. Warum bin ich eigentlich Journalist geworden? Für Honig sind Bienen zuständig, in der Produktion der Imker, und nicht der Denker an der Tastatur. Ich tat es trotzdem, resignierte irgendwann und beschloss, einen neuen Weg zu gehen. Es war ein gutes Gefühl, und nach einer harten Zeit der Erkenntnis auch die beste Entscheidung meines Lebens. Wenn ich mir meine einstigen Kollegen heute anschaue, ihre Texte lese, ihre Meinung perzipiere, bin ich mir nicht sicher, ob sie jemals bereit sein könnten, in eine neue Welt zu gehen. Ihre Meinung ist starr, Diskussionen sind untersagt. Jeder, der nicht wie Vertreter ihrer Kaste denken, ist automatisch böse. Eine seltsame Art von Weltanschauung. Zu sehr hängen sie am Trog der politischen Entscheidungsträger und Marionetten, kolportieren vermeintliche Wahrheiten, die sich kurze Zeit später im Sekundentakt als Unwahrheiten entpuppen. Manche nennen das Propaganda. Ich nenne es Wahrheitsverzerrung. Brauchen wir nicht mehr. Kurz: Kann weg.
Wie wird es sein? Ich weiß es nicht.
Eine Ära geht zu Ende. Was kommt nun auf und zu? Wird es noch mehr Schmerz und Leid sein, oder wird sich die Welt im Stillen wandeln zu etwas Besserem? Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass es noch viel schlimmer kommt. Es kann aber auch sein, dass es bei dem Epilog einer Ära bleiben wird und die Bewegungen – man kann hier wirklich bereits im großen Plural sprechen – die Welt wie wir sie kannten wie immer verändern werden. So nimmt es nicht Wunder, dass die Politik zwar Entscheidungen trifft, die Millionen Menschen jedoch, die sich in dieser speziellen Zeit, die ich nicht mehr mit Namen nennen möchte, gefunden und vernetzt haben, Freundschaften und tiefe Bindungen eingegangen haben, durch ihre aktiven Taten und Worte eben diese Entscheidungen zunichtemachen. Weil sie ihren freien Willen (wieder) gefunden haben, weil sie verstanden haben, dass der gerne benutzte Vergleich mit dem Wasserglas nur dann etwas bewegen kann, wenn man die Sache an sich immer positiv betrachtet.
Deshalb, und nicht nur deshalb, würde ich behaupten wollen, dass die neue Zeit eine sehr gute Zeit werden wird. Die Kollateralschäden an den Kindern werden wir wieder irgendwie hinbekommen. Während der beiden Weltkriege in Deutschland war es viel schlimmer. Alle werden sie irgendwann erwachsen. Bis dahin wird die Gesellschaft an sich einen grundlegenden Wandel zum Positiven vollzogen haben. Und irgendwann werden die einstigen Kinder verstehen, dass wir die Welt nicht für uns sondern für sie und gemeinsam mit ihnen gestaltet haben werden.