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Freizeit

Freunde. So muss das Leben sein.

Irgendwie ist das Leben in Italien ein wenig anders als im Buntland | Manchmal genauso schlecht aber meistens besser

Cavino. Etwa 2000 Einwohner. Ein kleiner Ort. Ein sehr kleiner Ort, der an die Gemeinden Campodarsego, Tavo, Curtarolo, Arsego und San Giorgio delle Pertiche grenzt. Los ist nicht viel. Eigentlich gar nichts. In der Bar, der Trattoria, die den Namen des Ortes trägt, sitzen ein paar Männer herum. Der eine trinkt Rotwein, der andere Weißwein, andere stehen an der Bar und kippen sich ein Gemisch aus irgendwas und etwas anderem in die Kehle. „Claudio, sind wir hier richtig“, frage ich meinen Freund. „Na, weißt du“, sagt er, „das ist die einzige Trattoria am Ort.“ Ich fasse mir ein Herz und frage den Mann an der Bar. „Wir haben reserviert. Sind wir hier richtig?“ Die Brille von der Nase ziehend und etwas irritiert wovon auch immer schaut er sich in einem Berg an Notizzetteln um. „Ja, ihr seid hier richtig.“ Puh! Glück gehabt. Es dauert nicht lange, und der Rest der Bande kommt auch an. Noch eine letzte Zigarette, bevor es ins Restaurant geht.

Hier ist man einfach nur Mensch

Es ist ein einfaches Lokal. Kein Tamtam und auch die Bedienung ist freundlich und bodenständig. Wir sind auf dem Land – in Cavino, in der Trattoria Cavino eben. Eigentlich egal, wie das Lokal heißt. Nein, eigentlich doch nicht, weil es hier ein wenig anders ist als in den Restaurants in den Städten, in denen die ganz Wichtigen speisen. Hier in der Trattoria trifft sich das gewöhnliche, einfache Volk. Menschen, die ich viel lieber mag ab die Überkanditelten. Hier ist man einfach nur Mensch und man kann sich auch ein paar Späße mit der Bedienung erlauben. Die junge Dame, 19 Jahre, Studentin, verdient sich hier ein paar Euro nebenbei und harrt geduldig den Wünschen meiner Begleiter. Ein Liter Weißwein – auf jeden Fall. Erst mal einen nicht spritzigen. Eher was ruhiges. Ok. Und dann das Essen. Mal was ganz anderes, für die Region aber vor allem für die Trattoria extrem typisches. Baccalà. Das war ganz früher ein Fisch für die armen Menschen. Irgendwann hat er dann auch in der Hautevolle Einzug gehalten und ist im Preis explodiert. Aber in Cavino kann man ihn noch zu einem normalen Preis essen. Für alle, die gerne mehr wissen möchten: Baccalà ist ein gesalzener Kabeljau. Gemäß einem italienischen Ministerialerlass bezieht sich der Begriff „Baccalà“ nur auf grauen nordischen Kabeljau (Gadus macrocephalus), der durch Salzen und Würzen haltbar gemacht wird, und ist nicht mit Stockfisch zu verwechseln, d. h. mit nordischem Kabeljau (Gadus morhua), der durch Trocknen und ohne Verwendung von Salz haltbar gemacht wird. In der Region Venetien und im Gebiet der venezianischen Herrschaft ist der Stockfisch jedoch als baccalà bekannt, so dass baccalà alla vicentina tatsächlich mit Stockfisch zubereitet wird. Cool, oder? Wie gut, dass es Wikipedia gibt.

Nun aber wieder zurück zu dem angenehmen Abend mit den Freunden. Baccalà erst mal in Risotto-Form und dann in vier anderen Varianten, die ich heute nicht mehr schaffe, im Detail zu erklären. Auf jeden Fall ein riesen Lob an den Koch, der es verdient hat, dass man ihn ob seiner Küche in der Region besonders lobt.

Herzmenschen – sie sind hier

Mal abgesehen davon, dass wir eigentlich viel zu viel bestellt hatten und schon viel zu früh satt waren, hätte alles halb so gut geschmeckt, wäre ich nicht mir Freunden in dieser Trattoria gewesen. Egal, wie das Lokal heißt, ohne Herzmenschen wäre der Abend sicherlich nicht so schön verlaufen. Danke an Giulio, Franko, Claudio und Aldo. Freunde eben – so muss das sein. In meiner eigentlichen Heimat hatte ich schon lange aufgegeben, Herzmenschen zu finden. Ein paar gibt es auch bei mir in Bayern. Und das ist auch gut so wie es ist. Aber man kann nie genug davon haben. In Italien ist die „Integration“ nicht so einfach, wie man vielleicht denkt. Aber hier ticken die Menschen einfach noch ein wenig anders. Hier braucht man nicht viel. Hier reicht schon ein Glas Wein für ein gutes Gefühl. Und es müssen auch nicht immer die hoch gestochenen Gespräche sein. Es reicht, wenn man da ist. Einfach nur da ist.

Noch ein Grappa zum Schluß

Noch einen Grappa zum Schluß, einen Kaffee hinterher. Und doch noch einen Krug Wein? War ja viel zu gut und der Abend viel zu kurz. Na gut, dann noch einen halben Liter nachbestellt. Etwas Wasser zum Nachspülen und ein sattes Trinkgeld für die junge Bedienung. Als Dankeschön. Trinkgeld gibt man eigentlich gar nicht in Italien. Aber die junge Studentin hat es sich verdient. Vor allem deshalb, weil sie es tatsächlich geschafft hat, Giulio zu bändigen. Das bekommt nicht jeder so einfach hin.

Ein gelungener Abend mit Freunden. Ein gelungener Abend mit einfachen aber besonders wichtigen Menschen in meinem Leben. Danke!

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